So präsent die Diskussion um die digitale Transformation der deutschen Wirtschaft auch in den Medien und auf den Vorstandsetagen ist – sie wird häufig entlang altbekannter Denkmuster und bewährter Handlungsoptionen geführt. Michael Buck, Geschäftsführer der Digitalberatung Convidera aus Köln, stellt deshalb eine ernüchternde Diagnose zum Stand der digitalen Transformation: „Nach mehr als sechs Jahren in Digitalprojekten bei Mittelständlern wie Konzernen bin ich überzeugt: Die gewachsene Kernorganisation eines großen mittelständischen Unternehmens wird es in den meisten Fällen nicht schnell genug schaffen, marktfähige digitale Innovationen zu entwickeln und ihr Geschäft auf den Pfad einer erfolgreichen Digitalen Transformation zu bringen“. Buck ist überzeugt:
„Je nach Branche bleibt den Unternehmen nur noch begrenzt Zeit, um sich nachhaltig digital zu transformieren und damit langfristig noch dieselbe Rolle am Markt zu spielen.“
Diese Situation wird verstärkt durch die anhaltende Corona-Krise. Sie beschleunigt den digitalen Wandel um ein Vielfaches und verändert dank neuer Technologien unsere Gesellschaft und die Art, wie wir leben – und zwar deutlich schneller als wir dachten. Unternehmen müssen deshalb Hürden und Herausforderungen des digitalen Wandels noch zügiger erkennen und angehen. Michael Buck erläutert in diesem Artikel, wie wichtig dabei die innere Einstellung zu Veränderungen und der Mut von Führungskräften ist, um diesen Wandel herbeizuführen.
Dass es viele Unternehmen aus ihrer Kernorganisation heraus nicht schnell genug schaffen werden, neue marktfähige digitale Produkte zu entwickeln, begründet Buck so: Es gibt hier verschiedene Defizite und Hürden, die vor allem mit dem „Mindset“, der Denkweise zu den Herausforderungen der Digitalisierung zusammenhängen.
„Wer versucht, die Digitalisierung mit angeblichen Patentrezepten und vermeintlich schnellen Lösungen zu bewältigen, wird scheitern – und verliert wertvolle Zeit. Zeit, die der deutsche Mittelstand eigentlich nicht mehr hat, da die Corona-Krise hier als absoluter Beschleuniger wirkt.“
Digitalstratege Buck fasst die aktuelle Situation so zusammen: „Es gibt keine einfachen Antworten, denn wir haben es mit einem Wandel zu tun, für den es kaum Vorbilder und Erfahrungswerte gibt. Erfahrungswerte können wir im Ausland sammeln, wo die Digitalisierung schon wesentlich schneller voranschreitet.“
Inmitten der branchenübergreifend geführten Debatte über die Herausforderungen der Digitalisierung für die deutsche Wirtschaft stecken die mittelständischen Unternehmer, darunter viele erfolgreiche Familienbetriebe. Auch ihre Welt verändert sich in riesigen Schritten und – aufgrund der Corona-Krise – nochmal deutlich schneller als bisher. Alle Führungskräfte der Mittelständler müssen dieser disruptiven Entwicklung Rechnung tragen. Sie sind es, die ihre Firmen nun dringend zukunftsfest machen müssen, um ihren langjährigen Erfolg im Sinne von Eigentümern und Belegschaft unter neuen Vorzeichen langfristig fortzuschreiben. Digitalberater Buck rät:
„Die Aufgabe ist ohne Zweifel Respekt einflößend, auch für gestandene Unternehmerpersönlichkeiten. Aber es gibt keinen Grund, wie das Kaninchen vor der Schlange in Schockstarre zu verharren und nichts zu tun.“
Er fordert: „Viele deutsche Mittelständler haben nach wie vor eine gute Auftragslage und damit ausreichend Ressourcen, um beherzt zu handeln und durch die richtigen Veränderungen ihre Zukunft zu sichern. Dazu braucht es unternehmerischen Mut zum Risiko. Digitalen Unternehmermut!“
Wie aber können die Führungskräfte der mittelständischen Unternehmen ihre bisherige Art zu denken durchbrechen? Welche Weichenstellungen müssen Sie vornehmen, um sich digital zu wandeln? Ein Weg: Von den Fehlern lernen, die Pioniere auf dem Weg in die Digitalisierung gemacht haben, und von deren Erkenntnissen profitieren. Michael Buck fasst die fünf wichtigsten Learnings zusammen:
Erkenntnis: IT-Projekte allein sind keine digitale Transformation
Hört man „digital“, denken viele zu oft zuerst an Soft-und Hardware-Investitionen. Das ist einerseits verständlich, weil in der Vergangenheit Prozessverbesserungen häufig mit neuen Softwarelösungen einhergingen und leistungsfähigere Hardware Geschwindigkeitsvorteile brachten. Da weiß man aus Erfahrung, wie sie projektiert, budgetiert und mit Hilfe von Systemhäusern und IT-Beratern eingeführt werden. IT-Change ist gelernt. Und was gelernt ist, wird als der vermeintlich einfache Lösungsweg eingeschlagen. Das Problem ist jedoch, ein IT-Projekt ist keine digitale Transformation. Denn sobald die Digitalisierung an den Grundfesten des Geschäftsmodells rüttelt und schnellere, beweglichere Marktteilnehmer ganze Prozesse oder Teile davon digital besser abbilden und gleich ganze Wertschöpfungsketten unterbrechen, hilft die neue Software nicht mehr. Michael Buck, Geschäftsführer von Convidera, meint dazu:„Heute wird in Deutschland ein Großteil der Investitionen, die mit der Überschrift 'Digitale Transformation' versehen sind, für IT-Projekte und Infrastrukturthemen ausgegeben. Den Rest teilen sich Geschäftsmodell-innovation und organisatorisch-kultureller Wandel hin zu einer digitalen Denkweise. Das Verhältnis sollte umgekehrt sein.“
Erkenntnis: Chief Digital Officer sind oft nur Beruhigungspillen für die Geschäftsführung
„Chief Digital Officer sind oft nicht mehr als Beruhigungspillen für den Vorstand, Manager, die für andere das digitale Deckmäntelchen tragen. Ein CDO mag fachlich noch so kompetent sein, wenn er oder sie keinen Durchgriff auf die Planung und Umsetzung von Veränderungsprozessen und den zugehörigen Strukturen hat, gehen die Bemühungen ins Leere.“
Erkenntnis: Keine Zeit? Eine veraltete Schutzbehauptung!
Vor der Corona-Krise war die Haltung des Top-Managements häufig, das Tagesgeschäft großen Projekten, die den digitalen Wandel herbeibringen sollten, vorzuziehen. Es blieb zu wenig Zeit zum Umdenken und Umlenken. Was auf den ersten Blick plausibel klingt, war für Convidera-Chef Michael Buck eine Schutzbehauptung: „Zeitmangel beim Management aufgrund großen Erfolgs der Firma klang zumindest vor Corona nach einem nachvollziehbaren Luxusproblem. In Wahrheit lag das Problem tiefer. Unternehmer, Mittelstands-CEOs und ihre Topleute setzten in meinen Augen oftmals die falschen Prioritäten. Denn der damalige Erfolg kaschierte die Tatsache, dass die meisten Unternehmen für die digitale Zukunft keinen Plan hatten." Buck weiter:
„Das rächt sich nun. Unternehmen, die Zeit in ihren digitalen Wandel investiert haben, profitieren jetzt, da in der neuen Realität digitale Umsätze den analogen vorgezogen werden. Diese Unternehmen kommen aktuell und langfristig besser durch die Krise.“
„Kein Manager möchte natürlich einen Deal liegen lassen, kein Unternehmer einen Großkundenvernachlässigt sehen, während die Konkurrenz ja auch nicht schläft. Das ist völlig logisch, aber es gehört eben auch zur Verantwortung des Managements, jetzt die richtigen Weichen zu stellen und auch beim Thema digitaler Wandel seine Mitbewerber im Auge zu behalten. Viele Mittelständler nehmen die Corona-Krise als Anlass, um schon länger geplante, aber nach unten priorisierte Projekt zum digitalen Wandel endlich anzustoßen“, mahnt Michael Buck. Sein Rat: „Wenn das Tagesgeschäft ein strategisches Thema wie die digitale Transformation auffrisst und sich nach wie vor keine Zeit dafür findet, braucht es dafür einen eigenständigen, organisatorischen Freiraum. Sprich: Wenn das Thema im Stammhaus untergeht, gehört es in ein separates Unternehmen, dessen Hauptaufgabe es ist, die richtigen Prioritäten zu definieren und dann neue Geschäftsmodelle zu entwickeln“, schlägt Digitalberater Michael Buck vor. „Es wäre wünschenswert, wenn diese neuen Geschäftsmodelle den Weg zurück in das Stammhaus finden würden.“
Erkenntnis: Hemmschuh Nummer 1: Die Personalabteilung
„Es ist bitter, wie selten die Personalabteilungen Initiativen zur digitalen Transformation anführen oder aktiv begleiten. In keinem anderen Bereich habe ich so viel tradiertes Denken und Festhalten an Bewährtem erlebt.“
Erkenntnis: Digitale Transformation braucht Wagemut und Freiheit
So vertrackt die Ausgangslage für die digitale Transformation des Mittelstands zurzeit auch sein mag – daran, dass sie angepackt werden muss, besteht für Convidera-Chef Buck kein Zweifel: